WHO IS WHO?
TATORT Kurdistan Gruppe Bonn
Mit der Auflösung des Osmanischen Reiches und der Gründung der Republik Türkei im Jahre 1923 wurde das kurdische Siedlungsgebiet von den Siegermächten des 1. Weltkriegs auf vier Länder aufgeteilt: Türkei, Syrien, Irak und Iran. Wir geben hier einen kurzen Überblick über Organisationen und Parteien in den verschiedenen Teilen Kurdistans sowie ausgewählte türkische Parteien.
TÜRKEI
/ NORDKURDISTAN
Aufgrund
der Türkisierungspolitik von Staatsgründer Mustafa Kemal (später
Atatürk genannt) ist die sog. kurdische Frage bis heute
ungelöst. Sein bekanntester Spruch: „Wie glücklich ist
derjenige, der sich Türke nennen kann“ (Ne mutlu Türküm diyene).
HDP Linke
prokurdische, gesamttürkische „Demokratische Partei der Völker“,
Co-Vorsitzender ist Selahattin Demirtaș und Co-Vorsitzende Figen
Yüksedaǧ. Die HDP konnte bei den Parlamentswahlen am 7. Juni 2015
die 10 %-Wahlhürde mit 13 % überspringen und in Fraktionsstärke
ins Parlament einziehen.
DBP Demokratische
Partei der Regionen; gegründet 2014; arbeitet zusammen mit HDP und
setzt in derzeit 106 Gemeinden Kurdistans das kommunale
Demokratiesystem, „demokratische Autonomie“ (Politik ohne
Herrschaft) in die Praxis um. Kernprinzip in allen
Lebensbereichen ist das System des Co-Vorsitzes Mann/Frau.
PKK Arbeiterpartei
Kurdistans; gegründet 1978; Gründer und Vorsitzender: Abdullah
Öcalan, 1999 mithilfe verschiedener Geheimdienste aus Kenia in
die Türkei verschleppt; zum Tode verurteilt, aufgrund
internationaler Proteste in lebenslange Freiheitsstrafe
umgewandelt; befindet sich seitdem auf der Gefängnisinsel Imrali im
Marmarameer, 10 Jahre als einziger Gefangener und bewacht von 1 000
Soldaten. Seit April 2015 wird kein Besuch mehr erlaubt und seit 2011
gibt es keinerlei Kontakt mit seinen Verteidiger*innen. Sitz und
Zentrum der PKK sind die Kandil-Berge im Nordirak. In der Türkei ist
sie als terroristische Organisation eingestuft und verboten. In
Deutschland wurde die Tätigkeit für die PKK am 26. November 1993
verboten.
HPG Selbstverteidigungseinheiten/Guerilla
(bewaffnete Einheiten der PKK); HPG und YPG/YPG retteten
2014 Zehntausende Ezidinnen und Eziden aus dem Sindschar-Gebirge vor
dem sicheren Tod durch den IS.
YPS Kurdische
Zivilverteidigungseinheiten, die versuchen, das Eindringen türkischer
Soldaten und Panzer in den Altstadtbezirk von Diyarbakir-Sûr u.a.
durch den Bau von Barrikadenzu verhindern. In der belagerten Stadt
Cizre wurden 165 Menschen in den Kellern zweier Häuser durch
Brandbomben getötet, darunter der Vorsitzende des Volksrates von
Cizre, Mehmet Tunc und die HDP-Politikerin Deriya Koc.
TAK Freiheitsfalken
Kurdistans. Es handelt sich um eine im Jahre 2004 von der PKK
abgespaltene Stadtguerillaorganisation, die die Politik der PKK
für zu lasch und unwirksam hält. Sie hat sich u. a. zu dem
Autobombenanschlag auf einen Militärkonvoi in Ankara vom 17. 2. 2016
bekannt, das die TAK als Vergeltungsaktion für die Massaker an
kurdischen Zivilisten – wie in Cizre – bezeichnete. Türkische
und deutsche Behörden behaupten, die Freiheitsfalken seien der PKK
zuzuordnen. Die PKK wiederum hat vielfach erklärt, dass sie
keinerlei Beziehung zur TAK habe und sich von deren Aktionen
distanziere.
TȘYG Der
„Bund der Revolutionären Bewegung der Völker“ wurde am 12. März
2016 von folgenden Organisationen gegründet: TKP/ML,
THKP-C/MLSPB, MKP, TKEP-LENINIST, TIKB, DKP, DEVRIMÇI KARARGAH; MLKP
und PKK. Zielsetzung: Verstärkung des Kampfes gegen die „AKP, die
mit einer Politik der Restauration der Militärputsche vom 12.
März 1971 und 12. September 1980 den Faschismus erneut
institutionalisiere und eine neue faschistische Diktatur gründe“.
Das Bündnis setze sich ein „für eine Zukunft in Freiheit durch
die Errichtung demokratischer Selbstverwaltungen in Kurdistan“. Es
gehe vorrangig um einen gemeinsamen Kampf für die „Sicherheit des
Lebens und der Zukunft aller Demokratien und Völker“.
YDG-H Jugendorganisation
„Bewegung der Patriotischen Revolutionären Jugend“; die 2013 von
jugendlichen PKK-Sympathisanten
gegründet wurde. Ihr Ziel ist , autonome Strukturen in den kurdisch
besiedelten Gebiete aufzubauen.
AKP Partei
für Gerechtigkeit und Entwicklung, gegründet 2001. Sie ist
konservativ-islamisch geprägt. Derzeitiger Parteivorsitzender:
Ministerpräsident Ahmet Davutoǧlu, Präsident: Recep Tayyip
Erdoǧan. Die AKP stellt seit 2002 die Regierung.
CHP Republikanische
Volkspartei; 1923 von Republikgründer Mustafa Kemal „Atatürk“
gegründet; Vorsitzender ist Kemal Kılıçdaroǧlu. Die Partei ist
kemalistisch/sozialdemokratisch orientiert und im Parlament
vertreten, hat aber an Bedeutung erheblich verloren.
MHP Partei
der Nationalistischen Bewegung. Sie wurde 1969 gegründet;
Vorsitzender war der Faschist Alparslan Türkes. Die MHP ist
verbunden mit den vor Gewalt gegen politische Gegner nicht
zurückschreckenden „Grauen Wölfen“. Diese sind insbesondere in
den 1970er Jahren brutal gegen die linke und revolutionäre
Opposition vorgegangen. Aktiv sind die „Grauen Wölfe“ bis heute.
Die MHP ist anti-europäisch eingestellt und ihr Hauptfeind die PKK:
So forderte der Vorsitzende die Wiedereinführung der Todesstrafe,
damit Abdullah Öcalan hingerichtet werden könne.
SÜDKURDISTAN
/ NORDIRAK
Seit
dem 1. Golfkrieg wurde diese Region wegen seines Öl- und
Wasservorkommens sowie seiner geostrategischen Bedeutung
wichtig. Die Definition dieses Teils Kurdistans als „safe haven“
gilt heute noch. Nach dem Fall Saddam Husseins 2003 entwickelte sich
die Region zunehmend als Autonomie. 2005 wurde sie zur „Kurdistan
Region of Iraq“ erklärt, verankert in der irakischen
Verfassung. Somit hat der „safe haven“ einen rechtlichen Status.
KDP Demokratische
Partei Kurdistans; gegründet 1946. Seitdem wird dieser Teil
Kurdistans, der sich heute Autonome Region Kurdistan nennt, vom
Barzanî-Clan dominiert. Derzeit ist Mesûd Barzanî
„Staatspräsident“. Die Strukturen sind autokratisch; die
Regierung pflegt engste Kontakte mit der Türkei. 16 000 Peschmergas
(„Die dem Tod ins Auge sehen“) bilden Barzanîs Armee. Die
Bundesregierung unterstützt die Autonomieregion politisch,
rüstet die Peschmergas im „Kampf gegen ISIS“ mit deutschen
Waffen aus und leistet militärische Ausbildungshilfe. Die KDP
befürwortet die Angriffe der türkischen Armee seit Ende Juli 2015
auf die PKK und lehnt die kurdische Autonomieregion Rojava im Norden
Syriens/Westkurdistan ab. Metropole des Gebiets ist Erbil (Hewlêr) .
PUK Patriotische
Union Kurdistans. Sie wurde 1975 als Ergebnis der Spaltung von der
KDP im Exil gegründet. Hauptsitz ist die Stadt Sülaimaniya. Der
Vorsitzende Dschalal Talabani war von 2005 – 2014 Staatspräsident
des Irak. Die PUK hat sich mit Rojava solidarisch erklärt und
unterstützt die Kurden im Südosten der Türkei.
GORAN Die
Partei GORAN existiert seit 2010 als Abspaltung von der PUK und fand
2013 großen Zuspruch, insbesondere für die von ihr propagierte
Bekämpfung von in Südkurdistan bestehender Korruption und
Vetternwirtschaft. 2013 wurde sie zweitstärkste Partei.
KCK Koma
Civakên Kurdistan (Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans) wurde 2007
gegründet und ist hervorgegangen aus der PKK. Ihr Ziel ist die
Umsetzung des von Abdullah Öcalan am 20. März 2005 deklarierten
„Demokratischen Konföderalismus“. Seit April 2009 wurden
unzählige politische Aktivist*innen in der Türkei festgenommen,
wegen angeblicher KCK-Mitgliedschaft und Unterstützung einer
terroristischen Organisation angeklagt und zu langjährigen
Freiheitsstrafen verurteilt - unter ihnen Bürgermeister*innen der
HDP, Anwält*innen, Journalist*innen und Gewerkschafter*innen.
PÇDK Partei
für eine demokratische Lösung in Kurdistan, wurde 2002 als PKK-nahe
Partei gegründet. Sie ist nur im kurdischen Teil des Irak
organisiert. Ihr Ziel ist eine demokratische Föderation Irak, in der
allen gesellschaftlichen Gruppen gleiche Rechte zugestanden
werden sollen, unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Religion.
Sie spricht sich gegen die in Südkurdistan bestehenden feudalen
Familientraditionen aus. Der Partei angeschlossen haben sich
ehemalige Mitglieder der KDP, der PUK und der Kommunistischen Partei.
KDP und PUK bekämpfen PÇDK und ließen deren Büros in Erbil,
Sulaimaniya und Dohuk gewaltsam schließen. Ebenso wurde ihr die
offizielle Anerkennung zu Wahlen durch die Regionalregierung
verweigert. Im Jahre 2014 hat sie sich als Partei aufgelöst und
versteht sich seitdem als Bewegung, die sich zivilgesellschaftlich
unter dem Namen „Tevgera Azadî Komala Kurdistan“ organisiert.
ROJAVA
/ WESTKURDISTAN-Nordsyrien
Im
Jahre 2012 hat die kurdische Bevölkerung in Syrien mit der Umsetzung
des von der kurdischen Befreiungsbewegung entwickelten Modells
eines „Demokratischen Konföderalismus“ (Demokratische Autonomie)
in Rojava begonnen. Rojava besteht aus 3 (noch nicht
zusammenhängenden) Kantonen Afrîn im Westen, Kobanê im Norden
und Cizîrê im Osten. Die AKP-Regierung unter Präsident Recep
Tayyip Erdoǧan und Ministerpräsident Ahmet Davutoǧlu will mit
allen Mitteln eine Etablierung dieses Projektes im Südosten der
Türkei und in Nordsyrien verhindern. Deshalb greift die Armee seit
Wochen YPG-Stellungen in Nordsyrien durch Artilleriebeschuss an.
Terrorgruppen wie Al Nusra werden von der Türkei nach Syrien
geschleust und der IS unterstützt. Der türkische Außenminister
droht inzwischen auch mit dem Einsatz von Bodentruppen. Die Regierung
fordert die USA auf, PYD und YPG/YPJ auf die Terrorliste zu setzen,
weil sie eng mit der PKK verbunden seien. Die USA lehnen dieses
Ansinnen ab, weil sie die Volksverteidigungseinheiten im
Anti-ISIS-Kampf brauchen.
PYD Partiya
Yekitîya Demokrat (Partei der demokratischen Einheit) in
Rojava/Westkurdistan-Nordsyrien; 2003 gegründet; Vorsitzende sind
Salim Muslim und Asya Abdullah. Die PYD ist Mitglied der syrischen
Oppositionsgruppe „Nationales Koordinationskomitee für
Demokratischen Wandel“.
YPG Yekîneyên
Parastina Gel; Volksverteidigungseinheiten von Rojava
YPJ Yekîneyên
Parastina Jin; Frauenverteidigungseinheiten von Rojava
OSTKURDISTAN
/ IRAN
Im
April 2002 beschloss die PKK, in allen Teilen Kurdistans Parteien und
Organisationen zu etablieren, deren Basis auf Demokratie und
demokratischen Lösungskonzepten aufgebaut sind.
1983
wurde „Komala“, die kurdische Sektion der Kommunistischen Partei
im Iran, gegründet. Mitte der 1980er Jahre kam es zwischen der
Organisation und der KDP Iran zu bewaffneten Auseinandersetzungen.
Bis heute ist das Verhältnis zwischen kurdischer Bewegung und
iranischem Staat äußerst gespannt. Insbesondere die Zeit unter
Mahmut Ahmadinedschad war für die Kurden unerträglich. Es kommt
immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit der
iranischen Armee.
PJAK Partei
für ein freies Leben in Kurdistan, gegründet im April 2004 in den
Kandil-Bergen des Nordirak. Sie gehört – wie die PKK – dem
Dachverband der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans, KCK, an
und sucht eine Zusammenarbeit mit der iranischen Opposition, was sich
bis heute schwierig gestaltet. Zahlreiche PJAK-Kämpfer*innen wurden
in den vergangenen Monaten zum Tode verurteilt und hingerichtet. 2009
wurde die PJAK auf die US-Terrorliste gesetzt.
EUROPA
/ BRD
CDK Kurdische
Demokratische Gesellschaft. Die Organisation bildet die politische,
diplomatische, strukturelle und personelle Basis in Europa. die
Organisation für die politisch-diplomatische Arbeit in Europa; nach
Neustrukturierung 2013 Umbenennung in KCD-E.
KCD-E Kongress
der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa; Mitglieder sind
Föderationen kurdischer Vereine aus mehreren europäischen Ländern.
SOLIDARITÄTSORGANISATIONEN
NAV-DEM e.V.
Demokratisches
Gesellschaftszentrum der Kurd*innen in Deutschland e. V. mit Sitz in
Düsseldorf, dem zahlreiche kurdische Kulturvereine angehören;
www.navdem.com, info@navdem.com
CIVAKA AZAD Kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit in Berlin;
www.civaka-ayad.org, info@civaka-azad.org
ISKU e.V. Informationsstelle Kurdistan in Hamburg; www.isku.org,
isku@nadir.org
CENÎ
e.V. Kurdisches
Frauenbüro für Frieden, Düssedorf; www.ceni-kurdistan.org
AZADÎ
e.V. Rechtshilfefond für
Kurdinnen und Kurden in Deutschland, Köln; www.nadir.org/azadi,
azadi@t-online.de
Kampagne
TATORT Kurdistan
Im Jahre 2009 fand in Amed
(Diyarbakir/Türkei-Kurdistan) das erste Mesopotamische Sozialforum
statt. Ein in diesem Rahmen stattfindendes Jugendcamp aus Europa
führte zu einem intensiven Austausch zwischen europäischen und
kurdischen Teilnehmer*innen, vor allem über das von Abdullah Öcalan
entwickelte Konzept des demokratischen Konföderalismus. Anfang
2010 wurde bei einem Nachbereitungstreffen die bundesweite „Kampagne
TATORT Kurdistan“ initiiert, die sich zum Ziel gesetzt hat, die
Verstrickung und Unterstützung der offiziellen deutschen
Politik an dem Krieg und der Unterdrückung in Kurdistan durch den
türkischen Staat aufzudecken und dagegen zu intervenieren. Die
Betätigungsfelder sind:
* Rüstungsexporte,
NATO-Zusammenarbeit, Kriegsverbrechen
* Infrastrukturpolitik der
AKP-Regierung wie Mega-Staudammprojekte
* Kriminalisierung kurdischer
Exilaktivitäten in Deutschland seit dem sogenannten PKK-Verbot von
1993
* Kampagne Demokratie hinter Gittern
– Solidarität mit den politischen Gefangenen in der Türkei
* Praktizierte Selbstverwaltung
Rojava/Westkurdistan (Nordsyrien) – Zukunftsalternative für den
Mittleren Osten.
TATORT Kurdistan arbeitet als
bundesweite Kampagne; es gibt keine Unterstrukturen. Jede/r ist
eingeladen mitzuarbeiten – als Privatperson oder im
Organisations-/Gruppenzusammenhang. Die Aktivitäten können frei
geplant und unter dem label TK durchgeführt werden; die
Organisationen/Gruppen arbeiten bei TK mit und gehen nicht darin auf.
Etwa dreimal im Jahr finden bundesweite Treffen statt, um gemeinsam
Schwerpunktthemen, Kampagnen und Aktivitäten festzulegen.
Die TATORT
Kudistan Gruppe Bonn besteht seit Juni 2014. Seitdem haben wir eine Reihe von
Informationsveranstaltungen durchgeführt. Treffen finden
in regelmäßigen Abständen statt.
Email-Kontakt:
kontakt@tatort-kurdistan-bonn.de
April
2016
TATORT
Kurdistan Gruppe Bonn